Geburt von Jacob
„Ach, wenn ich über die Geburt nachdenk‘, will ich gleich noch ein Kind!“
Im Vorfeld der Geburt habe ich mir oft die Frage gestellt, ob ich Angst vor der Geburt haben muss. Ich habe viel zum Thema Geburt gelesen, vor allem auch Geburtsberichte im Buch „Eine selbstbestimmte Geburt“ von Ina May Gaskin, und bin zum Schluss gekommen: Nein. Mein Körper ist genau dazu gemacht, das zu schaffen. Ich kann mein Kind zur Welt bringen!
Natürlich waren die Schmerzen, die auf mich zukommen sollten, nicht völlig ausgeblendet. Also sagte ich mir, ich muss keine Märtyrerin sein. Wenn unter der Geburt der Punkt kommt, an dem ich nicht mehr kann, an dem ich die Schmerzen als unerträglich empfinde, lasse ich mir helfen.
Um Geburtsverletzungen vorzubeugen, habe ich früh angefangen, Himbeerblättertee zu trinken, Dammmassagen durchzuführen und gegen Ende Heublumendampfsitzbäder zu nehmen.
Meine Hebamme wie auch meine Gynäkologin waren sich einig, mein Baby würde, obwohl es mein erstes ist, vor dem errechneten Termin zur Welt kommen. Weil ich die Schwangerschaft gegen Ende doch als recht anstrengend empfand, war mir das eine willkommene Einschätzung. Ich plante, in einer kleinen Klinik zu entbinden, in die ich erst ab der vollendeten 37. Woche kommen durfte, weil sie nicht für eine Frühgeburt ausgerüstet war. Also fieberte ich dieser Woche entgegen und war der festen Überzeugung, mein Baby würde dann kommen. Die Wochen kamen und gingen und auch zum errechneten Termin deutete noch nichts auf den Beginn der Geburt hin. Schließlich war der Geburtstermin um eine Woche überschritten. Meine Gynäkologin wollte noch zwei Tage abwarten und dann die Geburt einleiten – meine Horrorvorstellung: Einleitung, PDA, Kaiserschnitt!
Nach einigen Tränen fand ich mich damit ab, dass die Geburt wohl eingeleitet würde und war guter Hoffnung, dennoch eine natürliche Geburt haben zu können. Und siehe da, zwei Tage vor dem Termin zur Einleitung begannen nachts die Wehen.
Ich war erstaunt, dass ich zwischen den Wehen tatsächlich völlig schmerzfrei war und zu Beginn, als die Abstände noch recht groß waren, sogar schlafen konnte.
Ich lag in meinem Bett und stand immer, wenn eine Wehe kam auf, kniete mich vor das Bett und beugte mich mit dem Oberkörper darüber. In dieser Position konnte ich die Schmerzen gut aushalten. Mein Mann redete mir gut zu und erinnerte mich tief in meinen Bauch auszuatmen und war mir damit eine große Stütze. Als ich gegen 11 Uhr morgens wieder aufstehen wollte, um eine Wehe zu veratmen, platschte ein Schwall Wasser aus mir. Mein erster Gedanke war, ich hätte in die Hose gepinkelt. Mein Mann beruhigte mich und meinte, das kam so plötzlich und ist so viel, dass muss die Fruchtblase gewesen sein. Also machten wir uns auf den Weg ins Krankenhaus. Die Wehen empfand ich nach dem Blasensprung als deutlich schmerzhafter.
Im Kreißsaal angekommen wurde ich von der diensthabenden Hebamme und einer Hebammenschülerin untersucht – Muttermund bei 2 cm. Ich stellte mich also auf mindestens acht weitere Stunden Wehen ein. Mir fiel es schwer, tief in den Schmerz hinein zu atmen, sodass ich nur stoßweise atmete und mir schlecht wurde. Die Hebamme hielt mich an, tief zu atmen, das half. Ich versuchte, die Wehen anzunehmen und mir bewusst zu machen, dass jede davon mich ein Stück näher an mein Baby bringt.
Gefühlt wurden die schmerzfreien Pausen zwischen den Wehen immer kürzer, die Wehen dafür immer länger. Die Hebamme schlug vor, in die Wanne zu gehen. Zunächst wollte ich nicht, weil ich Angst hatte, das warme Wasser würde mir auf den Kreislauf gehen, ließ mich aber überzeugen, es zu versuchen.
Und siehe da – die Erlösung! Ab dem Moment, in dem ich in die Wanne ging, erschienen mir die Wehen völlig ertragbar.
Ich konnte wieder gut zu meinem Baby atmen und in den Wehenpausen entspannen. Während den Wehen half es mir, zu tönen und einen kalten Lappen auf die Stirn gehalten zu bekommen. Zwischen den Wehen, musste mein Mann mir die Lippen, die vom Atmen trocken geworden waren, eincremen und mir mit einer Sportflasche Wasser zu trinken geben. Mein Zeitgefühl war völlig hinüber. Ich hätte ich Nachhinein nicht sagen können, ob ich zehn Stunden oder zehn Minuten in der Wanne war.
Die Hebamme kam immer wieder zu uns und fragte, ob ich etwas bräuchte und tastete meinen Muttermund. Ich fühlte mich, wie in einem zeitlosten Trancezustand, als sie meinte, der Muttermund sei jetzt vollständig geöffnet, mein Baby sei jetzt gleich bei mir. Wahnsinn! Also Pressen. Mich überraschte, welche Kraft das Pressen kostet. Ich kam mir vor, wie eine Boxerin beim Kampf. Um die Wanne standen mein Mann, meine Hebamme, die Schülerin und meine Gynäkologin und feuerten mich an. Als ich dachte, meine Kraft ist aufgebraucht, sagte die Hebamme, sie könne das Köpfchen sehen, ich solle mir zwischen die Beine greifen, dann kann ich es als erstes spüren. Wenige Wehen später lag mein Sohn, vier Stunden nach dem Blasensprung, der für mich der eigentliche Geburtsbeginn war, auf meiner Brust. Wir verließen die Wanne und kuschelten uns im Kreißsaal unter eine warme Decke.
Erstaunt stellte ich fest, dass der Punkt, an dem die Schmerzen unerträglich für mich waren und ich ein Schmerzmittel wollte, nicht gekommen war. Mein Körper hat genau das geschafft, wofür er gemacht ist!
Social Distance bringt uns näher zusammen